“Sind Abschiebungen nach Afghanistan sicher, Frau Klöckner?”

“Sind Abschiebungen nach Afghanistan sicher, Frau Klöckner?”

20. Februar 2017. Julia Klöckner, stellv. Bundesvorsitzende der CDU,  hat sich dafür ausgesprochen, geflüchtete Afghanen – auch Schwangere –in sichere Gebiete nach Afghanistan abzuschieben und die freiwillige Rückkehr zu verstärken (die Offenbach-Post berichtete).

Da ja viele von ihnen an ihrer Heimat hängen, gibt es Rückfragen, ob es jetzt in der Heimat sicher ist. Leider sprechen die uns zur Verfügung stehenden Quellen eine andere Sprache: UN, Deutsche Botschaft, deutsche Militärs, Pro Asyl und erst kürzlich wieder die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierungkennen diese sicheren Gebiete  nicht.

Deshalb habe ich eine Anfrage an Julia Klöckner geschickt; als Vorsitzende der CDU-Fraktion von Rheinland-Pfalz und als stellv. CDU-Bundesvorsitzende hat sie sich sicher Detailwissen erarbeitet, andernfalls würde sie die Menschen ja in eine lebensbedrohliche Region schicken. Hier die Anfrage vom 8. Februar; der Eingang wurde bestätigt, eine Antwort gab es bis heute nicht: 
 

Sehr geehrte Frau Klöckner,

wir haben in unserer Flüchtlingsschule eine Karte von Afghanistan aufgehängt, Wir haben hier 143 Afghanen als Geflüchtete, darunter viele kleine Kinder.

Sie sprechen von sicheren Gebieten in Afghanistan! Leider haben wir viele Quellen, UN und auch deutsche Einrichtungen sowie aus dem konkreten Kontakt mit den Angehörigen in Afghanistan, die die sicheren Gebiete leider nicht bestätigen.

Haben Sie genauere Informationen? Bitte lassen Sie uns diese zukommen. Bei der Diskussion über eine freiwillige Rückkehr ist es verständlicherweise schon wichtig, auch verbindlich zu sagen: In diesem Ort in der Heimat ist es sicher. Die Menschen sind sehr verunsichert, da erst vor kurzem ein Kind aus dem Umfeld in Afghanistan getötet wurde, obwohl es sich um ein sicheres Gebiet handeln soll. Ich denke, Sie sprechen ihre politische Forderung ja nur dann aus, wenn Sie sich absolut sicher sind, dass sie nicht mit dem Tod endet! Wir werden unsere Anfrage natürlich – so wie Sie Ihre Forderung – öffentlich machen, ebenso Ihre Antwort.

Mit freundlichen Grüßen

Burkard Müller

Mein persönlicher Kommentar:   
Wir sollten über alles reden können und auch ich weiß sehr wohl, dass es eine ganze Reihe von Menschen gibt, die eine Abschiebung der Afghanen durchaus gutheißen. Ebenso gibt es  viele Menschen in unserer Stadt, die der Meinung sind: “Nein, es gibt keine gesicherten Erkenntnisse, dass es in Afghanistan sicher ist, auch nicht in einigen Gebieten”. 

Die derzeitige Debatte erzeugt bei den Betroffenen Ängste und Hoffnungen: Ängste, in die Gefahr zurück zu müssen, der sie entronnen sind; Hoffnungen, in die Heimat zurück zu können. Jetzt stellen Sie sich bitte einmal vor, Sie kennen eine afghanische Familie, deren Vertrauen Sie besitzen; die Familie fragt: „Kann ich zurück in meine Heimat, ist es dort für meine Kinder und mich sicher?“ Was würden Sie antworten?

Wer auch immer vor die Kamera und die Presse tritt und sagt: „Ja du kannst zurück; wo du hingehst, dort ist es sicher“, der sollte auch sagen können, woher er das weiß und ob er seine Informationen überprüft hat, dass das auch belastbar ist, besonders wenn es um Menschenleben geht. Wir leben seit Jahren mit Afghanen in unserer Stadt, viele sind unsere Freunde geworden, lernen unsere Sprache, sind mit uns in Vereinen aktiv, leben in vielfacher Hinsicht mit uns. Eine ganze Reihe von ihnen hat auch Arbeit gefunden oder qualifiziert sich dafür. Wollen wir sie wirklich in die Gefahr zurückschicken? Wo sind die Menschen vor Ort, die uns Helfern – verbindlich – sagen können: „Ja, hier oder da in Afghanistan ist es sicher – ich stehe dafür gerade?” Oder wollen wir es uns so einfach machen und sagen: „Es wird schon so sein wie der eine oder andere das sagt!”?

Ich bin für Meinungsfreiheit – sie beinhaltet aber auch Verantwortung. Und es gibt auch Hoffnung: Die Europäer setzen sich auch ein für die Menschenrechte, für Humanität. Hunderttausende demonstrieren in Spanien für die Aufnahme von mehr Flüchtlingen, Zehntausende in Deutschland gegen die Abschiebung der Afghanen in Deutschland. Die Länder  Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfahlen beteiligen sich nicht mehr an den Zwangsabschiebungen. Das Land Hessen mit Grüner Regierungsbeteiligung sollte den Beispielen folgen – was dort möglich ist, geht auch bei uns. Es ist jetzt Zeit zu handeln. 

In der Physik gibt es die Farbenlehre: Bei der Mischung von schwarzer und grüner Farbe ist das Ergebnis schwarz. In der Politik ist das kein physikalisches Gesetz, aber dennoch möglich, wenn die Vermischung zu groß wird.  

Ihr Burkard Müller

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