Integration zwischen Prosa und Praxis

Integration zwischen Prosa und Praxis

4. Januar 2017. Nun ist es also doch passiert: Die Verlegung der Geflüchteten aus den Containern in der Einhardstraße in Seligenstadt wird am Donnerstag, 5. Januar, um 9.30 Uhr vollzogen. 14 von den 35 Geflüchteten und viele Helfer des AK Willkommen in Seligenstadt hatten darum gebeten, die Geflüchteten, die bereits in unserer Stadt gut verortet sind, nicht zu verlegen. Ein Tausch wäre aus unserer Sicht sehr wohl möglich gewesen. Nicht alle Geflüchteten lassen sich gleichermaßen auf einen Integrationsprozess ein. Wir hatten deshalb den Kreis Offenbach nochmals um ein Gespräch gebeten – leider ohne Erfolg.

Resümee: Als ein Erfolg der Maßnahme ist zu sehen, dass sich die Wohnsituation der Geflüchteten in der Gemeinschaftsunterkunft (GU) in Weiskirchen gegenüber der Unterbringung in den Containern hinter dem Roten Haus verbessert hat.

Das Insistieren darauf, auch die gut Verorteten aus Seligenstadt zu verlegen, statt gemeinsam andere Lösungen zu finden, zeigt auf erschreckende Weise die Unzulänglichkeiten in der Gestaltung eines gemeinsamen Integrationsprozesses auf kommunaler Ebene.

Als Beispiele dafür lassen sich die Kommunikation und die Zuständigkeit nennen – zwei Worte, die die ehrenamtlichen Helfer mittlerweile nicht mehr hören können. Entweder ist die Behörde nicht zuständig oder sie wurde nicht informiert. Zu hören sind dann Aussagen wie diese: “Ja, wir sind zuständig, aber nicht informiert” oder auch: “Wir sind informiert, aber nicht zuständig.” Zum Schluss kommt dann der Satz: “Wir verstehen ja ihr Anliegen, aber leider sind wir nicht zuständig oder nicht informiert.”

“Kommen wir von der Praxis in die Prosa”, so heißt es. “Gemeinde und Kreis arbeiten Hand in Hand zum Wohle des Bürgers. Deshalb sind unsere Steuergelder auch gut angelegt. Großen Wert gerade in der Kommunalpolitik legen wir auf Transparenz, die Beteiligung unserer Bürger ist uns ein echtes Anliegen.”

Aha!

Toll, dass entgegen der Prosa-Darstellung in der Praxis das Gegenteil gar nicht bestritten wird. Aber ist es nicht gerade Aufgabe der gewählten Vertreter in den Parlamenten der Stadt und des Kreises, des Magistrats, der Stadt und des Kreisausschusses, einmal erkannte Fehler auch zu beseitigen? Der Bürger hätte im Sinne einer Aufgabenerledigung mehr davon. Vom “Schwarze Peter-Spielen” kommt nur das Signal der Politik: “Lieber Bürger, wir sind nicht in der Lage, einfache Aufgabe auch so zu organisieren, dass ein vernünftiges Ergebnis erzielt wird.” Und das wäre hier mit geringen Mitteln leicht erreichbar gewesen.

Was bleibt?

14 Geflüchtete haben gelernt: Man kann bei der Behörde einen Antrag stellen, aber Gehör findet man nicht, gemachte Integrationsbemühungen und -anstrengungen wurden ignoriert.

Viele ehrenamtliche Helfer haben gelernt: Zwischen der oft ausgesprochenen Dankbarkeit für ihre Tätigkeit und der Wertschätzung, gar der authentischen Wahrnehmung, stehen Welten. Die von ihnen erbrachte Leistung zur Integration wurde ignoriert.

Initiativen, Verabredungen, Maßnahmen zur Sprachbildung und zur Arbeitssuche müssen umdefiniert werden, damit die bisherige Arbeit nicht ohne Ergebnis bleibt. Stunden weiterer Investitionen in die Integration des Ehrenamts – mit dem Risiko, bei der nächsten Maßnahme gleichermaßen behandelt zu werden.

Wir wissen schon, dass es ein außerordentlich schwerer Prozess ist, unterschiedliche Kulturen in unserem Land zu integrieren. Jetzt kommt noch die Erkenntnis dazu, dass es ungleich schwerer ist, die unterschiedlichen Zuständigkeiten, Kompetenzen und die unterschiedlichen Ebenen eines “Behördenhandels” so zu bündeln, dass eine Gesamtbetrachtung des Problems möglich wird. Wenn wir das schaffen, braucht uns vor dem Rest nicht bange sein.

Der Mensch wächst eben an seinen Aufgaben! Und zum Erfolg gehört der lehrreiche Umgang mit dem Misserfolg. Wir hinterfragen selbst, denn auch wir machen Fehler: Haben wir unsere Ziele und Erwartungen vielleicht zu hoch angesetzt? Uns zu sehr persönlich eingelassen? Zu hohe Erwartungen in einen Behördenstruktur gesetzt? Die Prosa zu wörtlich genommen?

Dennoch: Was hat es denn geschadet, wenn man miteinander spricht? 
Dieses Mindestmaß an Wertschätzung glaubten wir, erwarten zu können!

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